Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Was kann geschrieben werden in diesen schrecklichen Zeiten, das nicht belang- und bedeutungslos wäre angesichts des Weltgeschehens? Die Briefträgerin hatte etwas im Sinn, zweifelte dann, wird nun aber doch darüber schreiben. Im Hinterkopf ein Zitat aus dem Roman «Mein Name sei Gantenbein» von Max Frisch: «Manchmal scheint mir, dass jedes Buch, so es sich nicht befasst mit der Verhinderung des Kriegs, mit der Schaffung einer besseren Gesellschaft usw. sinnlos ist. Müssig. Unverantwortlich. Langweilig. (…) Es ist nicht Zeit für Ich-Geschichten. Und doch vollzieht sich das menschliche Leben, oder verfehlt sich, am einzelnen Ich. Nirgends sonst.» Schweigen hilft auch nicht weiter, denkt die Briefträgerin deshalb und schreibt nun, wie ursprünglich beabsichtigt, über die Dialektik.
Was kann geschrieben werden in diesen schrecklichen Zeiten?
DREISATZ. Die Dialektik der Neuzeit ist eine gescheite und faszinierende Denkweise, um die Wirklichkeit zu erkennen und «die Wahrheit» zu finden. Ahnt die Briefträgerin. Ausgeheckt von gescheiten Männern, deren Frauen derweil in der Küche standen oder am Waschtrog. Denken in Gegensätzen und die Aufhebung derselben als Ausgangspunkt eines neuen Gegensatzes.
These – Antithese – Synthese: diesen Dreisatz kennt die Briefträgerin noch aus der Schule. Aber richtig begriffen hat sie ihn nie, beziehungsweise: sie kann ihn nicht auf das alltägliche Leben anwenden. Es sind Bücher geschrieben worden zum Thema, im Internet gibt es dazu unzählige Abhandlungen, die die Briefträgerin nicht versteht und ihrer Länge und Kompliziertheit wegen auch nicht lesen mag. Sie hätte es gern kernig. Zum Beispiel die These: Die Post soll einen Service public bieten. Antithese: Die Post will Geld verdienen. Ja, und was wäre da jetzt die Synthese?
Vor kurzem stach der Briefträgerin in einer Buchhandlung ein Zitat ins Auge: «Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.» Soll der deutsche Liedermacher Wolf Biermann gesagt haben. «Das ist dialektisch!» dachte die Briefträgerin entzückt und fragte sich eine Weile später, ob zum Beispiel die Post sich wohl treu bleibe in ihrem ganzen Wandel …
Liebe Briefträgerin!
Tja, ich hab‘ gerade Deine Kolumne „die Briefträgerin & die Brockenstube“ gelesen. Und ich kann Dir nur beipflichten, die Post vernachlässigt, ob der ganzen „Techno-Hype“, im Rahmen der Privatisierung (Amrikanisierung (USA)) immer mehr die Qualitäten, wofür sie einmal „stand“. Die Rechtsverbindlichkeit von Einschreibepost zum Beispiel, oder der Standart, dass „A-Post“ sich am nächsten Tag im Besitze des Empfängers befinden solle. Ich empfinde es als absolut unverständlich, dass alle Briefpost zuerst nach Härkingen „gehen muss“ bevor sie auf ihren eigentlichen Weg zu einem Empfänger gebracht wird, und unterstützt damit die Zentralisierung nicht nur im materiellen Sinne, sondern löscht in der breiten Bevölkerung auch das Verständnis für Regionalität und die ehemals angestrebte Chançengleichheit, beziehungsweise, sie würgt damit auch die sehr edle Gesinnung zum Thema ab!
Gruss Urs!